sich ficken lassende Kinder

Seit den 1970ern habe ich Sexualität und Erotik zwischen Männlichen studiert.
Die Summe meiner Erkentnisse liegen in "Sex mit Männern ohne schwul zu sein" vor.
Hier, in "Fülle", will ich zeigen, dass es meiner Ansicht nach nicht zwei Arten von Sexualität gibt, sondern tausende. Gewiss man kann Ideal­typen konstruieren, man kann Begriffe und Oberbegriffe benutzen, aber jeder Fall ist anders.
Deshalb die vielen Feldnotizen und Zitate. Wichtig sind Selbstzeignisse, wie die von Eyet-Chékib Djaziri, einem Tunesier (osmanischer Vater, italienische Mutter), der in der Pubertät entdeckt, dass er Sex mit seinen Freunden will.
Kurz darauf sind Romane erschienen, deren Protagonisten (und deren Autoren; Rachid O. und Abdellah Taïa) schon als Kinder Sex hatten, sehr unter­schiedlich: Rachid O. wächst in sicheren Verhältnissen auf, sein Vater ist zärtlich zu ihm, sein Großvater zudring­licher. Doch er weiß sich geliebt = ist stark genug, nur zuzulassen, wozu er Lust hat. Später wird er der Lustknabe seines verheirateten Lehrers. Wie autobiographisch die Romane sind, ist nicht gewiss, aber vermutlich sehr.
Bei Abdellah Taïa ist Vieles anders. Sie haben drei Zimmer: eines für den Vater, eines für den großen Bruder und eines für die Mutter, die vier Mädchen und die zwei Nachzöglinge. Solange er denken kann, ist er zāmel, der den Arsch gebende. Dass seine etwas älteren Verwandten und Nachbarn ihn ficken, stört ihn nicht. Dass er sie befriedigen kann, macht ihn sogar ein bisschen stolz.
Dass ihn die noch etwas größeren Jungen (im Suff) ficken, ohne ihn zu fragen, dass sie ihn öffentlich "Zāmel" rufen.
Dass ihn dann weder Vater, noch Mutter, noch GroßerBruder verteidigen,
tut weh.
Mit etwa 13 reißt er sich zusammen: Versucht, wie ein Mann zu gehn, läuft weg, wenn man ihn ficken will = lässt es nicht mehr zu.
Erst mit 18 lässt er sich von einem Europäer verführen. Doch das ist was Anderes.
Bei ihm hat man nicht nur die Bücher, sondern auch Inteviews, Fernseh-Auftritte, offene Briefe.
Es ist also nicht nur von Kontinent zu Kontinent, von Jahrhundert zu Jahr­hundert anders, sondern sogar in einem Leben: die Sexualität des 5-13-Jährigen in Salé ist sehr anders als die des jungen Erwachsenen auf dem Friedhof in Salé, in Genf und Paris.

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